Zufällig kam ich in die Küche, um wie immer bloß mal zu kontrollieren, ob meine katholische Freundin beim Kochen auch alles richtig macht oder ob ich ihr eventuell ein paar wertvolle Tipps zur Verbesserung unserer Mahlzeit, die sie gerade zubereitet, geben kann, als ich gerade noch rechtzeitig des Umstandes ansichtig wurde, wie sie betongraues Gehacktes, das offenbar schon seit Tagen todbringend in unserem Kühlschrank gelauert hatte, in der Pfanne anbriet.
„Willst Du mich vergiften“, versuchte ich mit einer betont sachlich gehaltenen Frage ihrem Mordversuch auf den Grund zu gehen.
„Wieso dich? Ich esse das doch auch“, antwortete sie, was ich hiermit zu Protokoll geben möchte für die spätere Rekonstruktion des Tathergangs.
„Wenn du das auch essen willst,“ folgerte ich wie einst Matlock in der gleichnamigen Rechtsanwaltsserie aus den Achtzigern, „kann ich das bestenfalls als erweiterten Suizid werten. Laß uns wenigstens noch jemanden zum Essen einladen, den wir nicht leiden können. Bestimmt mag Friedrich Merz Gehacktes.“
Sie: „Ich brate das erstmal nur an, um zu sehen, wie es sich entwickelt.“
Ich: „Wie soll sich das entwickeln? Es ist grau, es riecht nicht gut. Welche Entwicklung erwartest du? Ein Gehackteswunder. Die Auferstehung des vergammelten Fleisches? Ist das jetzt so ein uralter katholischer Küchenkult nach dem Motto: Jesus hat selbst den alten Lazarus vier Tage nach dessen Tod wieder hinbekommen, obwohl der schon ziemlich nach Verwesung gemüffelt hat.“
Sie: „Graues Hackfleisch muß nicht unbedingt schlecht sein“.
Es dauerte ein paar Sekunden, bis mir die Tragweite ihrer Aussage in der gesamten Konsequenz (auch im Hinblick auf die rund 634 von ihr zubereiteten Hackfleischmalzeiten seit 2002) klar wurde und damit ich ihr folgende Antwort erteilen konnte:
„Nur weil ich dich liebe, werte ich das jetzt mal ausnahmsweise nicht als vorsätzliche Körperverletzung und benachrichtige auch nicht die Polizei, was du hoffentlich zu schätzen weißt, aber könntest du mir bitte versprechen, graues Hackfleisch in Zukunft ohne Umwege durch unsere Mägen einfach direkt ins Klo zu befördern.“
Sie: „Meine Mutter hat immer graue Wurst angebraten, damit wir die noch essen können. Früher gab es solche Verschwendung nicht.“
Ich: „Bestimmt hat deine Mutter auch den Sonntagsbraten am Straßenrand aus dem aufgeblähten Pferdekadaver geschnitten, früher, also kurz nach dem Krieg.“
Sie: „Bevor ich mir diesen Unsinn weiter anhöre, kannst du mir lieber ein Glas Wein einschenken“.
Ich: „Wußtest du, daß von 1936 bis 2007 noch die Verordnung über ‚Hackfleisch, Schabefleisch und anderes zerkleinertes rohes Fleisch‘ galt, kurz die Hackfleischverordnung – HFIV. Die nötige Kenntnis über die HFIV wurde mittels der sogenannten Hackfleischprüfung sichergestellt.“
Sie: „Klar. Und zur bestandenen Hackfleischprüfung wurde jedem dann feierlich ein Mettigel überreicht.“
Ich: „An der Bulettenfachschule ‚Sigmund Semmelbrösel‘ hättest du nach all dem natürlich keinen Mettigel bekommen. Dafür die ‚Grüne Leberwurst am goldenen Band‘ für konsequente Nahrungsmittelverwertung.“
Sie: „Sehr witzig! Du solltest mal versuchen, was Lustiges zu schreiben, anstatt unser Alltagsleben in Kolumnen wie der hier auszuschlachten.“
Ich: „Na gut. Laß uns anstoßen auf den 2. Januar 2025. Meinen zweiten Geburtstag, an dem ich nur knapp dem Tod durch Hackfleischvergiftung entronnen bin.“
Sie: „Mal sehen.“
Ich: „Wieso, mal sehen?“
Sie: „Eigentlich wollte ich selber schon das angebratene Gehacktes wegwerfen, nachdem ich gemerkt habe, daß es nicht mehr so dolle ist. Aber nachdem du hier solch ein Theater machst, könnte ich mir vorstellen mit ein paar kräftigen Gewürzen daraus doch noch eine richtig leckere Mahlzeit für dich zu zaubern.“
An dieser Stelle will ich meine Freundin trotz allem in Schutz nehmen. Es ist ihre Art von Humor, den Ausstehende, die unser von Heiterkeit gekennzeichnetes Beziehungsleben meist gar nicht mitbekommen, womöglich komplett falsch verstehen würden, weshalb ich nun auch lachend über diesen gelungenen Scherz prompt die Pfanne vom Herd riß und den Giftmüll gleich mal unten in der Tonne vorm Haus entsorgte. Was nicht heißt, daß ich ihr nicht trauen würde, doch wer kennt seinen Partner schon wirklich.
Dann ging ich rüber in den Penny, frisches Gehacktes kaufen.
Nachtrag:
Das Essen hat am Ende wirklich sehr gut geschmeckt, soll ich noch schreiben.