Vermutlich werde ich jetzt einige enttäuschen. Und manche werden vielleicht auch nichts mehr mit mir zu tun haben wollen. Doch irgendwann würde es sowieso herauskommen, daß ich noch nie Game of Thrones gesehen habe. Auch nicht Breaking Bad oder Sopranos oder irgendeine andere von diesen wahnsinnig tollen Serien, mit dieser unvorhersehbaren Figurenentwicklung und den komplexen Handlungsverläufen. Ziemlich komplex fand ich schon die ZDF-Weihnachtsserie. Da hat man mitgefiebert mit Silas oder Anna und nach 6 Episoden war gut.
Ab der ersten Klasse war natürlich die Vorabendserie „Ein Colt für alle Fälle“ sehr wichtig, um mich auf meine berufliche Zukunft als Stuntman und Kopfgeldjäger vorzubereiten. Auf dem Schulhof wurde anderntags ausgehandelt, wer Colt Seavers sein durfte und wer Howie sein mußte. Howie war der tollpatschige und ziemlich uncoole Cousin von Colt. Meinen Mitschülern hätte eigentlich vollkommen klar sein müssen, daß ich für die Rolle als Howie völlig ungeeignet bin. Noch schlimmer war allerdings mein Schulfreund Thomas dran, der durfte aus ideologischen Gründen überhaupt kein Westfernsehen angucken. Wir betrachteten ihn wie jemand, der aufgrund einer schweren Krankheit nicht mehr lange zu leben hatte. Und wozu auch, wenn er kein Colt für alle Fälle sehen durfte.
Meine katholische Freundin kennt diese Serie leider auch nicht. Nicht, weil sie in der SED gewesen war, sondern schlimmer, sie hatte zu der Zeit nicht mal einen Fernseher. Wenn ich Hart aber herzlich erwähne, guckt sie mich an, als wolle ich sie überreden zu einer SM-Praktik. Wie hat sie bloß die Achtzigerjahre überstanden ohne „Matlock“, „Simon and Simon“ und „Ein Trio mit vier Fäusten“. Zur Erklärung: der dritte im Trio war nicht körperbehindert, sondern setzte seine Hände zum Programmieren ein.
Wir hatten zum Glück Westfernsehen und am Sonntagnachmittag sah ich mit meinen Eltern immer die Bill-Cosby-Show. Das war unser sonntägliches Familienprogramm, und ich war überzeugt davon, daß sich mein Vater mal eine Scheibe von Bill Cosby abschneiden sollte. Bill Cosby, der es schaffte, alle Streitigkeiten und Probleme in seiner Familie mit Humor zu lösen, während mein Vater alle Probleme ohne Humor löste. Das bekam er allerdings ganz gut hin. Bill Cosby war in der Hinsicht das genaue Gegenteil meines Vaters. Gelassen, witzig und – was jetzt vielleicht nicht ganz so gut ins Bild paßt – ein Vergewaltiger, das stellte sich allerdings erst viel später heraus. Nachträglich bin ich dann doch ganz froh, daß sich mein Vater keine Scheibe von Bill Cosby abgeschnitten hat.
In den Neunzigern sahen Oma und ich am frühen Nachmittag oft die australische Sitcom „Hey Dad“. Später ereilte „Hey Dad“ das gleiche Schicksal wie die Bill Cosby-Show. Der Hauptdarsteller hatte sich ebenfalls des sexuellen Übergriffs schuldig gemacht. Womit nun schon die zweite Serie betroffen ist, die ich mal gerne gesehen habe. Ich fürchte, irgendwann kommt raus, daß auch Schnatterinchen von Pittiplatsch sexuell belästigt wurde. Wirklich wundern würde es mich nicht.
Bei den heutige Serien - also Serien, die es inzwischen auch schon seit 20 Jahren gibt - die die Erzählstruktur eines verzweigten Romans nachzuahmen versuchen, muß man dann plötzlich 100 Stunden hintereinanderweg „bingen“, weil die so gut gemacht sind. Aber ist das gut oder Freiheitsberaubung? Und natürlich muß man die unbedingt im Original sehen beziehungsweise hören, also alles auf Englisch, weil die Synchronisation natürlich Scheiße ist. Und klar ist die Scheiße, aber mit meinem Englisch würde ich immerhin was von der komplexen Handlung mitkriegen, falls mich das interessieren würde.
Meine katholische Freundin guckt inzwischen irgendwelche norwegischen Mysteryserien über untote Wikinger, die bei der Polizei (?) im Dienst sind oder so, ich habe es nicht ganz verstanden. Vampire, Elfen und Einhörner sind nicht mein Personal. Wenn ich heutzutage mal wieder eine Serie gucken will, schalte ich Freitag nachts zu ZDF, da läuft manchmal noch Starsky & Hutch.
Ich mag Charaktere, die sich treu bleiben, eine überschaubare Handlung, ein paar Gags. Höchstens mal den raffinierten Erzählbogen einer Doppelfolge. Keine Überraschungen. Im Grunde so, wie wir seit 23 Jahren auch unsere Beziehung führen. Wer will schon die komplexe Charakterentwicklung Alfs vom liebenswürdigen Familienmitglied zum drogensüchtigen Auftragskiller? Das hat doch mit der Wirklichkeit überhaupt nichts zu tun. Okay, Alf ist ein Außerirdischer, der Katzen essen möchte. Aber davon mal abgesehen, ist alles ziemlich realistisch. Deshalb schreibe ich ja auch Kolumnen und keine Fantasy. Mit meiner immergleichen katholischen Freundin, einem überschaubaren Thema, aber – vor allem – ohne einen dramatischen Plotpoint am Schluß, solange es geht.